Bis zu seinem 30ten Geburtstag sollte man so einige Dinge getan haben. Alleine eine Hauptstadt bereisen, den Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit erfahren, aus vollem Herzen eine Liebeserklärung machen und den obligatorischen Baum pflanzen. Bis auf den Baum kann ich ganz gut mithalten. Aber dafür besass ich einige Wochen einen Siamesischen Kampffisch, der auf den klangvollen Namen Fischi hörte. Fischi wohnte in einem Aquarium, dass direkt neben dem Herd stand. Fischi’s Vorfahren stammten aus Vietnam und ich ging davon aus, dass er tropische Verhältnisse in Form von Hitze und Kondenswasser zu schätzen weiss. Ich habe ihm seinem Züchter zurückgegeben. Ich fürchtete, ich würde Fischi früher oder später aus grober Fahrlässigkeit ins Jenseits befördern.
Einige Worte zu meiner Person: Ich bin stolze Wahl- Hamburgerin, Single, habe einen Master Titel von einer der renommiertesten Business Schools Europas und bin hauptberuflich Unterwäsche Model. Zugegeben eine ungewöhnliche Kombination. Und ich hatte das grosse Privileg in den vergangenen Jahren ein ebenso ungewöhnliches Leben zu führen. Es gab Jahre, in denen ich nicht einmal länger als 8 Tage an einem Stück an einem Ort war, mein Alibi- Zuhause miteingeschlossen. Ich habe die Welt bereist und an den exotischsten Orten gearbeitet. Kleine Faustregel für Aussenstehende: Je exotischer der Ort, desto früher der verdammte Sonnenaufgang. Auf den Seychellen bedeutet das eine vier Uhr Call Time. Ich habe wahnsinnig interessante Menschen kennengelernt und vermutlich die grössten Quoten-Arschgeigen, die je auf Gottes schöner Erde wandelten. Als ich mit dem Modeln begonnen habe, war ich ein zurückhaltendes, stilles Mädchen, jetzt bin ich eine Frau in der vollen Bedeutung des Wortes. Das Modeln hat mir mehr gegeben als genommen, dafür bin ich sehr dankbar. Ich habe das unsagbare Glück ein stabiles familiäres Umfeld zu haben und hatte auch immer einen Plan B. Bei weitem geht das nicht allen Models so.
Für viele ist das Modeln keine Eintrittskarte in ein besseres Leben. Für alle ist ein Fluch und Segen zugleich. Ich möchte diese Zeit nicht missen, ich habe mich in den Wahnsinn verliebt.
Dieses Buch soll einen realistischen Einblick in den Arbeitsalltag eines Models geben. Und in den Alltag eines verwirrten Millenials der Generation Y oder X oder bei welchem Buchstaben die Gelehrten mittlerweile angekommen sein mögen auf Suche nach Sinnfindung. Nicht berücksichtigt werden Kardashian Töchter, die zu ihrem ersten Agenturbesuch mit dem Privatjet von LA nach New York geflogen sind, mit ihrer Mama an der Seite und der sicheren Zusage gewiss, weil ihr Nachbar Giorgio Armani und ihr Patenonkel Tommy Hilfiger heisst. Sondern von den ganz normalen Mädchen, die gemeinsam, wie bei einem Marathon lossprinten und dabei versuchen den Kugeln auszuweichen, die der Kardashian Clan vom Helikopter aus auf sie abfeuert. Das Modeln nicht unbedingt zwangsweise ein besonders glamouröser Job ist, sollte sich inzwischen rumgesprochen haben.
Wer also nichts davon hören will, das Reisekostenabrechnungen, Anwaltsbesuche und absolute Disziplin auch zur Jobbeschreibung gehören, der möge dieses Buch in die Ecke werfen und sich auf seine Polly-Pocket Insel verabschieden. Wer aber auf grosse Strapazen mit absolut ungewissen Ausgang unabhängig vom eingesetzten Aufwand steht, dessen Stunde ist jetzt gekommen.
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